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Gedichte

 

Franz Nono Schreiner schrieb seit seinem 16. Lebensjahr zahlreiche Gedichte. Zuerst waren es eher Liebesgedichte, doch bald schon befasste er sich mit verschiedenen Stimmungen, die den Leser - Hörer in seine Welt entführen sollen; in eine Welt, die nicht frei von Konflikten, aber in der das Schöne neue Sichtweisen und Bilder ermöglicht.

 

Hier ein Reigen von einem Dutzend Stanzen "de pulchritudine"*:

 

De pulchritudine

 

Dein Reich strahlt licht in unsre Welt herein,

erfüllt den Geist mit Ahnung, hell und weit.

Unzählig viele Formen bieten Widerschein

von Deinem Wesen, schenken uns Geleit:

der Griechen Tempel mögen Zeugen sein,

der Sonnenblume Kerne, wohl gereiht.

Gesegnet, wer Dein Sein und Wirken kennt,

und demutvoll sich auch Dein Jünger nennt.

 

 

Die Königin von Saba

 

Wie ist doch Salomon so groß und weise!

Wie strahlt sein Reich hinaus in alle Welt!

So macht die Königin sich auf die Reise,

ob sie wohl ihm und er auch ihr gefällt.

Man tauscht Geschenke, unterhält sich leise,

man ist bedacht, dass nichts dem andern fehlt.

Doch dass der König nie von Schönheit spricht,

das ist's, woran die Königin zerbricht.

 

 

Der wahrhaft Blinde

 

Mit meinem Hausherrn sprach ich über Kunst

und deren Wert für Kirche, Staat und Welt.

Wir sprachen lang, und seiner Pfeife Dunst

hat mich erquickt zuerst, doch dann gequält.

Der Mann war voll Verständnis, schenkte Gunst

den Musen, so hat er es mir erzählt.

Den Maler, der im Keller kärglich wohnte,

ihn warf er raus, da er nicht zahlen konnte.

 

 

Mit Liebe geschmückt

 

Wie war die Kirche mir als Kind ein Ort

des Staunens, wohl auch der Bewunderung!

Und jeder Tempel, auch der Bildstock dort

am Rain, gewährt dem Herzen Linderung,

wenn es voll Gram und Harm in einem fort

sich selbst im Weg und nur Behinderung.

Wohl Liebe ist der heil'gen Stätten Zier;

in ihr ist Gott, und göttlich wir in ihr.

 

 

Der Himmel

 

Welch Schauspiel schenkt der Himmel Tag für Tag,

egal ob Wolken dräuen, oder rein

und blau das Firmament sich zeigen mag;

auch kann es Morgen oder Abend sein,

ein Cyan blauer Hauch, so lind und zag,

ein glühend Farbensturm in grellem Schein.

Stets ist er voller Harmonie und Weite,

ein Bild, das unsern Geist erhebe, leite. 

 

 

Quelle der Kunst

 

Hier ist der Maler, der die hehrste Form

im Akt dem Licht, den Farben abgerungen.

Dort, jener Dichter schmäht mit Wut und Zorn;

geahnte Schönheit ist´s, verkehrt besungen.

Dies Stück, des Töne Wirrnis wohl enorm,

ein Kind von ihm, dem bess´res schon gelungen.

Und doch ist Schönheit Quelle jeder Kunst,

sei's Licht, sei's Schatten, sei's ein Hauch, ein Dunst. 

 

 

Die wahre Schönheit

 

Die wahre Schönheit wie die wahre Liebe,

sie zeigen sich dem ird'schen Auge nicht.

Hier lockt die Anmut, tändelt mit dem Triebe;

das Wahre kennt nicht Schatten, kennt nicht Licht.

Der Künstler gleicht in seinem Tun dem Diebe,

wenn er's auch leugnet, wie er gerne spricht.

Wenn aus der Schönheit Reich er Schätze stiehlt,

so schenkt er uns, wonach ein jeder schielt.

 

 

Düfte des Waldes

 

Schenkt nicht Natur mit Klängen und mit Düften

Erbauung auch für Nase, Ohr und Gaumen?

Welch Zauber liegt im Frühjahr in den Lüften,

wenn du den Wald durchmisst, welch heimlich Raunen?

Und auch der Sommer, wenn aus Felsenklüften

ein Duft von Beeren streicht, macht uns erstaunen.

Des Herbstes Feuchte uns umfängt mit Macht.

Kristall'ne Stille schenkt die Winternacht. 

 

 

Die Idee

 

Aus einem and'ren Universum tritt

herein in meine schwer belad'ne Welt

die zierliche Idee mit banger Bitt'

und hat sich sittsam-höflich vorgestellt.

Sie ist so zart, so nackt, und jeder Schritt

ist wie Libellenschlag. Zu mir gesellt,

sie nun ganz leise und voll Wehmut spricht:

„Beworte mich – dann bin ich – dein Gedicht.“ 

 

 

Sommer im Schlosswald

 

Im Schlosswald stehen Fichten stolz und mächtig,

auch Buchen, eigensinnig, doch nicht stur,

dazwischen Eichen, majestätisch, prächtig,

Kastanien widerborstiger Natur.

Sie alle weisen himmelwärts andächtig,

und kühlen, wen erhitzt' die grüne Flur.

Doch wo die Sonne bis zum Boden fällt:

welch würzig warme, wunderstille Welt.

 

Der verschwundene Parnass

 

Der Musen Land erfüllen Harm und Leid.

Kithara, Aulos, Lyra sind verstummt.

Kein Tanz, kein Wort erfüllt die leere Zeit.

Erato selbst entsagt der Leier, geht vermummt.

Wo sind die Klugheit, die Beredsamkeit,

die Weisen, die man sonst so gern gesummt?

Kein Mensch kennt mehr dies Land, so liebenswert;

das Göttliche ward längst uns wegerklärt.    

 

Spaziergang

 

In Baches Murmeln klingt Thaleias Lied,

erfüllt das Herz mit lichter Heiterkeit.

Sieh Terpsichore dort, wie sie sich wiegt,

ein Weben grad in Waldes Blätterkleid.

Euterpes Flöte schwingt im Zwitschern mit,

erfüllt von Meisenfreud' und Finkenleid.

Ganz Aug' und Ohr tauch ich in all dies ein;

der Wald wird mir zum heil'gen Musenhain.

 

Thaleia: Muse der Komödie

Terpsichore: Muse des Tanzes

Euterpe: Muse des Flötenspiels und der Lyrik

 

*de puchritudine (lat.): von der Schönheit